Zusammenhänge zwischen Vogelzug und mitochondrialer Physiologie

Mitochondrien sind kleine Kraftwerke innerhalb der Zellen, die nicht nur Energie liefern, sondern auch grundlegende biologische Prozesse beeinflussen. Von der Geburt an prägen Mitochondrien jeden Schritt im Leben eines Organismus, beeinflussen Wachstum, Entwicklung und somit insbesondere auch die Fähigkeit, lange Strecken auf dem Zug zurück zu legen. Dennoch bleibt die Verbindung zwischen Mitochondrien und der Leistung von Tieren weitgehend unerforscht, da die Messung der Mitochondrienfunktion oft eine invasive Probenentnahme des Individuums erfordert.

Im Rahmen unseres Projekts umgehen wir dies und erforschen die Mitochondrienaktivität anhand von Blutproben der Amsel. Diese häufig anzutreffende Gartenvogelart ist ein Teilzieher, d. h., einige Individuen oder Populationen verlassen im Winter ihr Brutgebiet, während andere sesshaft sind. Diese Konstellation bietet ein natürliches Experiment, in dem die Physiologie von Zugvögeln und Standvögeln derselben Art verglichen werden kann. Die Mitochondrienfunktion kann relativ einfach von einer Blutprobe ermittelt werden, was wiederholte Messungen am selben Vogel über einen längeren Zeitraum ermöglicht.

Eines der Hauptziele dieses Projekts ist es, die Mitochondrienfunktion bei sesshaften Amseln über ihren Jahreszyklus hinweg zu erfassen, also von Frühling bis Herbst (wenn Zugvogelpopulationen ihre jährliche Migration beginnen) und diese mit der Mitochondrienfunktion von vollständig migrierenden Populationen zu vergleichen.

Zusammen mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Radolfzell untersuchen wir, wie die Mitochondrienfunktion mit dem Zugverhalten zusammenhängt, zum Beispiel mit der Abflugzeit von Helgoland oder den während des Zugs zurückgelegten Strecken. Wir statten die Vögel mit Ortungsgeräten aus, mit Hilfe derer wir Daten über ihre Zugbewegungen erfassen können (Abb. 1). Seit Herbst 2023 haben wir auf diese Weise Informationen sowohl über Zugbewegungen, als auch Mitochondrienfunktion von 50 Zugvögeln erhalten.

Mit diesem Projekt erhalten wir wertvolle Einblicke in die komplexen Verbindungen zwischen Energiebilanz, Tierverhalten und Migration. Letztendlich zielt es darauf ab, die Mechanismen zu  entschlüsseln, die die unglaublichen physiologischen Leistungen von Zugvögeln ermöglichen.